Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Egal, welches deiner Bücher man in die Hand nimmt, sie sind alle wunderbar gestaltet. Warum legst du darauf so viel Wert?
Die äußere Form eines Buches hat Einfluss darauf, was man liest. Wir lesen ja nicht einen Text, wir lesen ein Buch. Mein Anspruch ist bei jedem Buch, dass es schön wird, dass sich Form und Inhalt verbinden und ergänzen.
Was bedeutet Schönheit für dich?
Ich unterscheide zwischen Attraktivität und Schönheit. Attraktivität ist psychologisch messbar, die Werbepsychologie mag Attraktivität, also Anziehung. Aversion ist der psychologische Gegenbegriff. Ich halte mich an die ostasiatischen Philosophien: Die Schönheit ist erstens gekennzeichnet durch eine unergründliche Tiefe und zweitens durch Nicht-Aggressivität. Oder anders gesagt: In der unergründlichen Tiefe liegt eine große Nicht-Aggressivität, also das Friedvolle, Heilsame. Der Künstler, die Künstlerin tritt in diesem Zen-buddhistischen Sinn an, die Welt zu verschönern. Das bindet die Schönheit an Werte, wie wir das im westlichen Diskurs nicht haben. Im westlichen Diskurs ist die Schönheit in der Ästhetik an die Wahrnehmung geknüpft. Das Gegenteil von schön ist hier hässlich. In der östlichen Philosophie ist das Gegenteil von schön – böse oder: vulgär. Das kennt die westliche Tradition nicht, es gibt zwar in der Antike die Lehre vom Schönen und Guten, aber normalerweise laufen Ethik und Ästhetik in der Tradition sehr weit auseinander. Anders in der östlichen Vorstellung von Schönheit. Das Heilsame gefällt mir in diesem Denken sehr, weil Achtsamkeit und Kreativität dabei eine wichtige Rolle spielen.
Diese Vorstellung holt die Schönheit aus dem Bereich von Schmuck, Luxus, Manipulation – das hat alles mit Attraktivität zu tun, nicht mit Schönheit. Deswegen: Wir haben heute keinen Schönheitskult, wir haben einen Attraktivitätskult. Wenn wir blonde Frauen vor hellblauem Hintergrund auf das Cover von Fernsehzeitungen drucken, und sich die Magazine dann besser verkaufen, wie man messen kann – dann hat das in meinem Sinne nichts mit Schönheit zu tun.