Gudrun, Du begleitest uns als Coach in unserem Werteprozess. Warum interessierst du dich für die Arbeit mit Werten?
Meine Motivation für die Arbeit mit Werten geht auf meine Ausbildung der Existenzanalyse und Logotherapie zurück. Ich sehe die Auseinandersetzung als sinnstiftend. Wenn ich mich mit meinen Werten beschäftige, frage ich mich:
Bin ich Gestalter*in meines Lebens? Lebe ich mein Leben, so wie es für mich passend ist?
Diese Fragen haben nichts mit dem großen Sinn des Lebens zu tun, sondern vielmehr mit den persönlichen sinnhaften Momenten. Ist mein Leben für mich stimmig und gut, so wie es ist? Handele ich meinen Werten entsprechend? Schließlich machen sie mich im Kern aus und verlangen von mir, dass ich zu mir stehe. Oft ist dies ein Ringen mit mir selbst, und manchmal nicht immer angenehm, weil ich für mich dabei auch innere Wertekonflikte löse – aber ich finde mein Leben viel lebendiger, viel authentischer, viel existenzieller, viel schöner, wenn ich meinen Werten entsprechend lebe.
Es ist nicht immer der leichtere Weg, er vereinzelt manchmal sogar, aber er ist sehr lohnenswert.
Wir haben für uns als Identitätsstiftung fünf Werte definiert, dazu gehört der Wert Beziehung. Wie definierst du diesen Wert?
Ich denke, Beziehung steht für Dialog, Begegnung, Miteinander. Oder auch Nähe, Austausch und Interesse aneinander. Beziehung steht dafür, Erfolge zu feiern und miteinander zu tun haben zu wollen.
Allerdings ist es mit Werte-Definitionen meiner Meinung nach folgendermaßen: Wenn du googelst, bekommst du jede Menge Wertelisten, auch mit Beschreibungen. Ich denke aber, es sind die individuellen Vorstellungen, die einen Wert auszeichnen.
Was zählt, ist die eigene Idee von einem Wert, für den ich mir die Ärmel hochkremple, für den ich etwas riskiere. Es geht bei Werten um die Attraktion: Zieht der Wert mich an, oder stößt er mich ab? Ihr definiert Beziehung für euch im Team der Identitätsstiftung als Miteinander und etwas sehr Wertvolles.
Ob für andere Teams Beziehung als Wert genauso definiert ist, finde ich nicht wichtig. Ich denke, jede Person, jedes Team, jedes Unternehmen muss für sich selbst entscheiden, welche Werte wichtig sind und was sie jeweils ausmacht.